LKZ 8.3.2005

Posted by Rolf Beuchert Category: Konzertkritiken

Glitzernde Wasseroberflächen in Venedig

RUTESHEIM – Vier berühmte Komponisten des Barock hatte das Rutesheimer Kammerorchester für den Sonntagabend in der Sankt-Raphael-Kirche gewählt: Händel, Albinoni, Vivaldi und Bach. Unter Leitung von Rolf Beuchert schenkten sie dem Publikum über eine Stunde lang schönste Musik.

Von Gabriele Müller

Die leeren Stühle im Altarraum irritierten nur so lange, bis von der Empore die ersten Takte von Händels Konzert für Orgel und Orchester d-Moll (op. 7 Nr. 4) auf die Stuhlreihen herabschwebten. Das 17-köpfige Orchester hatte sich um die Orgel geschart, an der Bezirkskantor Christoph Martin saß. Orgel und Orchester wechselten sich ab. Die schnellen, pulsierenden Läufe des Soloinstrumentes wurden gerahmt von glänzenden Tutti-Passagen. Hell perlten die Register, deren Klanggestalt an Cembalomusik erinnerte. Das Ensemble schuf so einen voll tönenden, festlichen Einstieg.
Schmerz und Schwermut atmete das bekannte Adagio g-Moll für Streicher und Orgel von Albinoni, das ebenfalls auf der Empore gespielt wurde. Gut gelang es hier dem Orchester, das schleppende Tempo in organischem Fluss durchzuhalten, ohne dabei in unangenehmes Pathos zu verfallen. Violinistin Sabine Leopold empfahl sich hier als ausdrucksvolle Solistin. Danach machte sich das Orchester auf den Weg nach unten in den Altarraum und war nicht mehr nur hör-, sondern auch sichtbar.
Bei Vivaldis Concerto (op. 3 Nr. 10 h-Moll) zeigten sie die tänzerisch-eleganten Qualitäten ihres Zusammenspiels. Sie schlugen ein frisches Tempo an, und filigran wanden sich die Stimmen der vier Soloviolinen von Hendrik Rahn, Heide Hald, Anno Kleiner und Sabine Leopold ineinander. Kleine Unsauberkeiten kamen hier und da zum Vorschein, jedoch gelang es dem Ensemble, bei aller spürbaren, der Musik innewohnenden Motorik, niemals in ungebührliche Hast zu verfallen. Anrührend klagten die Violinen im Largo. Die grazile Leichtigkeit des Schlussallegros erlaubte Assoziationen zu glitzernden Wasseroberfläche in Venedig, wo Vivaldi seinerzeit gewirkt hatte. Es mündete in einen kraftvollen Schluss.
Eine Herausforderung vor allem für die Solisten Hendrik Rahn und Anno Kleiner war das berühmte Doppelkonzert von Bach (BWV 1043). Ernst und energisch der Duktus, unerschrocken griffen die Linien der Violinen ineinander, und das Orchester fügte sich harmonisch dazu. Ein wenig mehr Licht und Luft hätte das polyfone Geflecht allerdings vertragen. Organisch gelungen waren die Phrasierungen. Viel Seele atmete das Largo, nicht zuletzt auf Grund des innigen Spiels der beiden Solisten. Zupackend das Schlussallegro: fordernd, voller Feuer und mit beachtlicher Geschmeidigkeit. Aufgewühlt erzählten die Geigen. Das Kammerorchester bot eine beachtliche Leistung. Eine, die Gesicht und Charakter hatte und an keiner Stelle langweilig war – was nicht zu unterschätzen ist!

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