LKZ 7.10.1983 Herbstkonzert

Posted by Rolf Beuchert Category: Konzertkritiken

Ensemble von eigenwilliger Prägnanz
Konzert des Rutesheimer Kammerorchesters unter Rolf Beuchert – Solist war der Gitarrist Helmut Rauscher

Von Walter Rümelin

RUTESHEIM – Ein gerüttelt Maß an Eigenständigkeit entwickelt unter Rolf Beuchert das Kammerorchester. Programme, die in Gemeinden ähnlicher Größe mit Musikanten vom Ort oder von auswärts nicht annähernd darzustellen wären, bewältigt das Ensemble „spielend“. Das Spiel der Laienschar unter Händen seines Dirigenten in Rutesheim ist zunächst einmal intensive Probenarbeit mit viel häuslichem Fleiß und Opfern. So erhielt das Programm seinen letzten Schliff in einer Wochenendfreizeit in Haigerloch, bis aus der Arbeit dann richtiges Spiel entstand und die Spieler über sich selbst hinauswuchsen. Staunenswert, was ein begabter Dirigent an Formvollendung aus solchen Freizeitmusikern herausholen kann.

Eine stille Heiterkeit strahlt aus der Ouvertüre zur Oper „Die Welt auf dem Mond“ von Joseph Haydn. Recht geradlinig mit starken dynamischen Kontrasten vermittelt das muntere Allegro einen großartigen Einstieg in das Programm. Vom Opernschaffen Haydns war die Kaiserin Maria Theresia derart begeistert, daß sie einmal meinte, man müsse nach Eisenstadt und Esterhazy gehen, um gute Opern zu sehen. Einen echten Hauch dieser Opernwelt vermittelten die eifrig aufspielenden Rutesheimer.
Eine typisch kammermusikalische Transparenz weist das Konzert d-Moll für Gitarre und Streicher von Johann Friedrich Fasch auf. Noch in der Barockzeit lebend, deutet seine motivische Arbeit zu Entwicklungen, wie man sie später bei Haydn findet. Die große Freizügigkeit der Stimmen verleiht seiner Melodik und Harmonik Farbe und Weiträumigkeit, und der Solist des Abends, Helmut Rauscher, kündet von diesen Ideen auf seiner kostbaren neuen Gitarre aus Granada in Spanien. Das Wechselspiel zwischen Tutti und Soli macht den Hörer immer wieder gespannt auf die neueste Variante des Themas im Aufblühen des Gitarrentons. Nicht leicht haben es hier die Streicher, welche die Soli mit rhythmisch komplizierten Einwürfen zu bedienen haben. Im kurzen Andante gelingt dem Orchester eine Dynamik aus dem zarten Piano zum Fortissimo und wieder zurück in ein hauchdünnes Pianissimo. Der dritte Satz gibt sich verhangen, kein zündendes Motiv für die Streicher, aber der ruhig dahinfließende Sechsachteltakt gibt der Gitarre feinste Entfaltungs- und Gestaltungsmöglichkeiten. Stürmisch wird der Solist gefeiert.
Auch den nächsten Punkt des Programms machen die 18 Streicher unter sich aus. Ursprünglich nur für das Klavier komponiert schrieb Bela Bartok viele seiner Werke für Besetzung mit Orchester um, so auch „Zehn leichte Stücke für Streichorchester“. Wer die Noten gesehen hat, weiß, daß das Wort „leicht“ stark irreführend ist, denn die Saiteninstrumente haben es hier mit vertrakten Strichen, mit ungewöhnlicher Rhythmik und komplizierten Griffen zu tun. Es gelingt aber Rolf Beuchert, das Liedhafte, die heitere Volksseele, die verhaltene Trauer oder den unbeschwerten Tanzschritt mit seinen Spielern aufklingen zu lassen. Seine Dirigierimpulse sind hier besonders eindringlich und fordernd, wo es heißt, äußerste Wachsamkeit und Konzentration aufzubringen. Das dritte Stück ist etwas Besonderes für Celli und Bratschen, das Allegro gibt sich verspielt, beim Soldatenlied staunt man über die festlichen Klänge, nett und zierlich klingt es beim Poco vivace und die ganze Trauer und Wehmut tönt aus dem achten Stück. Die Sack pfeifenweisen bilden den Beschluß, bei dem man merkt, daß es den Spielern eine herzerfrischende Freude war, diesen Bartok zu musizieren.
Krönung des Konzerts und Lohn für die viele Mühe bildete die „Neue Lambacher Symphonie“ von Wolfgang Amadeus Mozart. Neu deshalb, weil hier wie beim Isenheimer Altar zu Colmar sich ein Irrtum festgefressen hatte, der nur durch intensives Nachdenken schließlich gelöst werden konnte, und in Fachkreisen seine Erkennung gefunden hat. Man verwechselte hier Vater Leopold und Sohn Amadeus. Beide haben für das Kloster Lambach Symphonien geschrieben, hat man aber ein paar davon vom Wolfgang Amadeus im Ohr, weiß man spätestens bei der Durchführung des ersten Satzes mit seinem Marsch quer durch die Tonarten, daß hier Vater Leopold unmöglich seine Hand im Spiel gehabt haben mag. Die Pauken und Trompeten, die zum Eingang bei Joseph Haydn so exakt mitwirkten, hatten hier „tacet“, dafür aber badeten die Zuhörer förmlich im wonnigen Klang der wieder erschienenen beiden Oboen und Hörner. Wie oft muß der Musikfreund erleben, daß die Bläser rücksichtslos aufdrehen und das Klangbild zerstören. Hier gab es Crescendi von zartester Nuancierung und disziplinierter Einfügung.
Was brachte der Mozart den Gästen? Ein fantastisches Tongemälde, gegliedert in vier Sätze. Beim zweiten schweigen die Bläser, aber die sauber geworfenen Bögen der Streicher malen ein Bild von Souveränität, schwer belastet durch die Triller und Vorschläge, Übungskapitel sondersgleichen. Gemütlicher geht es im Menuett zu, aber dennoch strahlt nach dem verhaltenen Trio feinste musikalische Substanz in die Halle.
Der klangprächtige Rahmen des Schlußsatzes weist noch einmal eindeutig auf Wolfgang Amadeus als Verfasser. Die Fülle melodisch quellender Schönheiten, frei dahinströmend und mit kräftigen Kontrasten durchsetzt, deutet auf ein ganz persönliches Bekenntnis des Meisters zu dieser Musik, die hier auch einen ernsten religiösen Hintergrund hat. Den Rutesheimern ist zu wünschen, daß sie diese Konzerte auch anderswo darbieten können.

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