LKZ 5.5.1989: Gaelle, Schwäbische Schöpfung – Komische Oper

Posted by Rolf Beuchert Category: Konzertkritiken

Schöpfung schwäbisch verpackt
Das „Paradies“ in Rutesheim – Komische Oper begeistert aufgenommen

RUTESHEIM (khk) – Über die genaue Lage des biblischen Gartens Eden gibt es eine fast endlos lange Reihe von mehr oder weniger ernst zu nehmenden Spekulationen. Zwischen Euphrat und Tigris, am Ganges oder Nil, am Kaspischen Meer, in Ceylon, Kuba oder Palästina, bei Damaskus oder Jerusalem, auf Kreta oder in Mexiko, ja selbst bis zur sagenumwobenen Insel Atlantis reicht die lange Kette möglicher Standorte des biblischen Paradieses.

Mit ihrer Komischen Oper „Adams und Evas Erschaffung und ihr Sündenfall“ erweiterten Sebastian Sauer und Meingosus Gaelle die Standortdiskussion um eine weitere Variante: das Paradies lag mitten im Schwabenland. Das schwäbische Mundartstück wurde vor kurzem in einer Aufführung des Kammerorchesters Rutesheim in der Rutesheimer Festhalle dargeboten. Wer die Oper gesehen hat, wird sich nicht darüber wundern, daß der Textdichter, der Prämonstratensermönch Sebastian Sailer zu seinen Lebzeiten im 18. Jahrhundert der Gotteslästerung angeklagt wurde. Die Schöpfungsgeschichte in derbe, schwäbische Reime zu fassen und Gott Vater als schwäbischen Schaffer in Kittelschürze darzustellen, verlangt vom Verfasser einigen Mut und vom Publikum viel Humor.

Sailer dachte gar nicht daran, sich sklavisch an die biblische Vorlage zu halten, sondern verlegte die Schöpfungsgeschichte in eine schwäbische Künstlerwerkstatt. Das listige Augenzwinkern wird dabei zum meistgebrauchten „Stilelement“ in den drei Aufzügen des Bühnenwerks. Die Musik dazu schrieb Meingosus Gaelle, unter anderem Doktor der Theologie und Philosophie, der als Dilletant ganz nebenher noch über 300 Musikstücke, meist Kirchenlieder, schrieb.

Die Harfe hat im künstlerischen Schaffen von Gaelle anscheinend eine besondere Rolle gespielt. Dieses Instrument diente bis ins 19. Jahrhundert hinein fast ausschließlich der Liedbegleitung und wurde erst danach auch zum Orchesterinstrument. In „Adams und Evas Erschaffung“ sind der Harfe umfangreiche Solopartien vorbehalten, die dem Solisten perfekte Beherrschung seines Instruments abverlangen. Reni Yamahata hat sich dieser Herausforderung gestellt und absolvierte den Harfenpart mit bestechender Sicherheit.

Cornelia Feile beeindruckte durch ihr Flötenspiel das Publikum, Gabriele Trück (Viola) und Harald Hepfer am Cello ergänzten das gut harmonierende und von Rolf Beuchert einfühlsam dirigierte Quartett. Einen zweifellos schwierigen Part hatten die Gesangsolisten zu bewältigen. Nicht, daß der Komponist etwa besonders schwierige Koloraturen oder extreme Tonlagen vorgegeben hätte. Vielmehr lag die Schwierigkeit im extrem scharfen Kontrast zwischen dem „urig-komischen“ Bühnenszenarium einerseits und dem musikalischen Ausdrucksanspruch andererseits, der in plattem Schwäbisch zu interpretieren war. Keine leichte Aufgabe selbst für Karl Friedrich Dürr, der über 40 Partien an der Württembergischen Staatsoper gesungen hat.

Die Rolle des Adam war mit Peter G. Besch hervorragend besetzt und Angelika Luz (Eva) hatte mit der Schwäbischen Mundartdichtung ohnehin keine Schwierigkeiten. Sie stammt aus Ehingen an der. Donau, also aus der unmittelbaren Nachbarschaft des Stifts Obermarchtal, wo Sebastian Sauer einst den Text zu „Adams und Evas Erschaffung“ niedergeschrieben hat.

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