LKZ 24.12.1982: Adventskonzert in St. Raphael

Posted by Rolf Beuchert Category: Konzertkritiken

Stimmungsvolle Adventsmusik

Das Rutesheimer Kammerorchester musizierte in St. Raphael

Von Walter Rümelin

RUTESHEIM – Drei Stücke dieses Konzerts hätten auch zu normalen Zeiten konzertiert werden können, aber sie fügten sich gut dem Gedanken des Advent, der durch die Worte der Geistlichen, dem gemeinsamen Gesang von „Macht hoch die Tür“ und der abschließenden Weihnachtssymphonie eingefaßt war.

Die junge Yvonne Geiger sorgte mit feinen Registern an der Orgel für eine adäquate Wiedergabe von Johann Sebastian Bachs Präludium und Fuge f-moll. Ihr musikalisches Gespür wird sie bestimmt zu einer Gelassenheit führen, manche Schlüsse in mehr metrische Genauigkeit einzubinden. Dieses Urteil bezieht sich vor allem auf das später dargebotene Orgelkonzert. Die metrische Gelassenheit wohnte indes der „Offenen Frage“ – „The unanswered Question“ von Charles Ives den Streichern bei, die von Rolf Beuchert in ein ganz ruhiges Pianissimo leitete, die fragenden Aspekte der Trompete und den Flöten zuweisend. Wann die explosionshaften Einwürfe der Bläser zu erfolgen hatten, blieb ganz beim Dirigenten. Dem Hörer tat sich eine neue Welt kund, modern, ästhetisch, problemlösend? Die Frage musikalisch gestellt blieb unbeantwortet.

Nach diesem musikalischen Wagnis in die sicheren Gefilde von Johann Sebastian Bach einzukehren, war allgemeines Bedürfnis. Sein viertes Brandenburgisches Konzert wurde vom Glanz der zwei feinen Soloblockflöten bestimmt, aber von der märchenhaft schillernden Violine von Chikako Tagaki schlicht beherrscht. Die Passagen des ersten und zweiten Satzes liefen nach bewährtem Muster, jedoch nachdem die aufmerksamen Bratschen dem dritten Satz die metrische Inspiration verliehen hatten, entwickelte sich die Geige der jungen Japanerin zum Sangesinstrument schönster Bachideen.

Nach dem mit echter Freude angestimmten „Macht hoch die Tür“ aller Anwesenden, kam die Orgel mit dem bekannten Orgelkonzert von Georg Friedrich Händel zu Wort. Dieses herrliche Werk, vom Meister gar nicht für den Kirchengebrauch verfaßt, enthält wunderschöne Ohrwürmer, die auch in seinen Violinsonaten zu finden sind. Die Orgel von St. Raphael und ihre differenzierte Registrierung durch Yvonne Geiger, ist gerade recht für die Aufführung dieses Werkes, nur wünscht der Musikfreund der jungen Organistin, sich wirklich Zeit zu lassen auch für den letzten Schnörkel vom Händel.

Man kennt mancherlei Weihnachtsmusiken und Hirtenweisen von allen möglichen Komponisten, hier aber erlebte der Hörer eine feine Neuerfahrung mit Gaetano M. Schiassi, der um 1740-50 in der Stuttgarter Hofkapelle gewirkt haben soll. Seine Weihnachtssymphonie fügt sich genau in den Rahmen seiner italienischen Zeitgenossen. Vivaldi und Corelli, Geminiani und Albinoni passen in seine musikalischen Bestrebungen. Nur bei Corelli ist die feine Hirtenmusik wesentlich länger. Trotzdem honorierten die recht zahlreichen Gäste die Symphonie und die insgesamt wirklich feine Adventsmusik mit lautstarkem Applaus. Der Zunder der geworfenen Bögen und die vielen sauberen dynamischen Schattierungen, echt dem Echo und der Terrassendynamik verhaftet, beugte sich einem Largo mit geschobenen Achteln der Streicher und gewagten Harmonieverschiebungen, allenfalls bei Vivaldis Doppelkonzert in d-Moll zu hören. Die Hirtenmusik im Andante geht schlicht auf das Konto der Solovioline von Chikako, die sich schließlich in abgeklärte himmlische Sphären schleicht. Besinnlicher Advent, besinnliche Weihnachtsmusik.

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