Unmerkliche Trennungen in inniger Zweierbeziehung
Fast symbiotisch: Rutesheimer Kammerorchester und Karl-Wilhelm Berger
Rutesheim. Leise Töne prägen die Musik, die das Rutesheimer Kammerorchester macht. Am Samstag hat es in der sehr gut besuchten Festhalle Stücke von Schubert, Mozart und Beethoven gespielt. Pianist Karl-Wilhelm Berger war als Solist dabei.
Von Gabriele Müller
Berger ist unter anderem Dozent für Klavier an der Musikhochschule in Stuttgart. Er modelliert auf dem neuen Yamaha-Flügel der Festhalle Töne, die Ludwig van Beethovens Konzert für Klavier und Orchester Nr. 2 B-Dur (op.19) zu einem durchaus sehr gefühlvollen, jedoch niemals pathetischen oder gar gewalttätigen Stück Musik werden lassen. Der Anschlag des Pianisten ist fest, fast trocken, die Töne durch den äußerst sparsamen Pedaleinsatz konturiert und klar – dennoch klingt es niemals hart und das Ohr vermisst selbst an träumerischen Stellen niemals klangliche Weichheit oder lyrische Qualitäten.
Besonders schön ist es, wie sich das Orchester als sensibler Klangkörper zum Soloinstrument fügt. Die Übergänge, wenn das Klavier einsetzt oder sich wieder zurückzieht, sind kaum wahrnehmbar – eine zärtlich-innige Zweierbeziehung. Fein federn die Streicher nach dem markanten Dreiklangsmotiv und der Tastenvirtuose lässt später brillante Läufe glitzern. Im Adagio tastet sich das Orchester vorwärts, während das Klavier leise und in sich gekehrt zu träumen scheint. Lyrisch – das auf jeden Fall – aber keineswegs sentimental. Zu Hochform läuft an dieser Stelle das Orchester auf, insbesondere die Oboe. Selbstvergessenheit und zugleich ein hohes Maß an Selbst-Bewusstsein spricht aus diesen Klängen. Frisch und flink gehen Solist und Orchester das Rondo an. Präsent ist dessen Charakter, zupackend wird es interpretiert. Voller Verve funkeln die Pianoläufe – kleinere Unsauberkeiten hie und da sind Nebensache, weil der Gesamteindruck einfach mitreißend ist. Im Programm steht, dass der junge Komponist Beethoven dieses Klavierkonzert für den eigenen Gebrauch geschrieben hat, keine Frage, dass ein Virtuose hier seine Fertigkeiten aufs Allerbeste demonstrieren und ins rechte Licht setzen kann. Schlicht schön ist Bergers Zugabe „Von fremden Ländern und Menschen“ aus Robert Schumanns „Kinderszenen“.
Zuvor hat das Kammerorchester die Sinfonie g-Moll (KV 183) von Wolfgang Amadeus Mozart gespielt, die nicht mit der ungleich berühmteren Sinfonie g-Moll (KV 550) zu verwechseln ist. Aufgewühlt und erregt beginnt sie – der Programmtext berichtet, dass sie mitunter als „Zeugnis einer Sturm-und-Drang-Periode des jungen Meisters“ angesehen wird. „Allegro con brio“ ist der erste Satz überschrieben, feinnervig und erregt geht ihn das zweifelsohne auf sehr hohem Niveau spielende Orchester an. Eine Prise mehr „brio“ hätte er aber noch vertragen. Wunderschön zart entfaltet sich das Andante, behutsam und gedankenverloren. Zart erklingen Fragen, welche gütig-brummig von den tiefen Streichern beantwortet werden.
Nichts von höfischer Manieriertheit hat das Menuett im dritten Satz. Frisch und kräftig packen es die Instrumentalisten an, fast gebieterisch wirkt es zuweilen. Nur das Trio in der Mitte, allein von den Bläsern gespielt, bezaubert durch seine filigrane Anmut. Mit großem Impetus gehen sie das Schlussallegro an, das vom Kontrast des stürmischen Fugatos mit dem zweiten, ungleich zierlicheren Thema lebt.
Schön ist, wie transparent das Orchester und der Leitung seines Dirigenten von Anfang an musiziert. So auch die Ouvertüre c-Moll von Franz Schubert, mit welcher der Konzertabend begonnen hat. Schwermütige, langgezogene Sehnsucht wird von den Lichtstrahlen lieblicher Flöten erhellt. Fein und leicht ist schon hier der Klang – so, wie er sich während des gesamten, gelungenen Konzertabends fortsetzen wird.