LKZ 14.11.1986

Posted by Rolf Beuchert Category: Konzertkritiken

Beeindruckendes Musizieren

Festhalle beim Konzert des Rutesheimer Kammerorchesters überfüllt

RUTESHEIM (rüm) – Einmalig für Rutesheim war, daß zu einem Konzert mit klassischer Musik so viele Gäste erschienen, daß der Anfang sich am Samstagabend stark verzögerte, weil man immer noch mehr Stühle in die überfüllte Festhalle hereinstellen mußte. Die immer beachtlichen Musiken, die Rolf Beuchert seinem Laienorchester einzustudieren versteht, sind ein Markenzeichen für sich, man denke dabei nur an die wiederholten Aufführungen des Mozart-„Requiems“.

Von Pergolesi hat Strawinsky die Anregung für eine seiner schönsten Kompositionen bezogen. So ließ sich auch das Rutesheimer Kammerorchester von ihm inspirieren und spielte von Giovanni Battista Pergolesi sein „Concertino Nr. 4. f-Moll“, ein vorklassisches Werk mit eigenartiger Besetzung. Es gibt vier Violinstimmen, oft zu Paaren gekoppelt, Bratschen, Celli und Basso continuo. Wie eine barocke Kirchensonate ist es in vier Sätze gegliedert. Man lauscht dem ruhig dahinfließenden Adagio, dann dem Presto beim Da Capella, das die führenden Violinen brillieren läßt. Das A tempo commodo klingt gestochen sauber und mit feinen dynamischen Schattierungen, bis beim A tempogiusto interessante Klangvariationen aufleuchten.

Bei Georg Friedrich Händels „Concerto grosso op. 3 Nr. 2 in B-Dur“ behielt man vor allem die hervorragend geblasene Oboe im Ohr, die im zweiten Satz die zwei Solo-Violoncelli begleitete. Im Vivace mit seinen springenden Oktaven war man von der großen Reinheit des Klangkörpers beeindruckt. Der dritte Satz mit seinem reizenden Menuett ist geradezu ein Musterbeispiel für ein Concerto grosso mit dem häufigen Wechsel von Solo- und Tuttistellen. Ebenso tänzerisch verspielt, nur eben wesentlich rascher gibt sich im Schlußsatz die Gavotte. Verdienter Beifall!

Gespannt war man auf die erste Solistin des Abends, auf den Violinvortrag von Cornelia Angerhofer, der gebürtigen Leonbergerin. Sie spielte von Johann Sebastian Bach sein „Konzert für Violine und Orchester Nr. 1, a-Moll“. Nach der kurzen Einleitung durch das Orchester führt die Solovioline gleich ein neues Thema ein, wobei sofort das große Talent der jungen Geigerin zum Tragen kam. Temperamentvoll, mit großem Strich und sicherer Grifftechnik bewältigte sie ihren Part. Das Herzstück des Werks, der langsame Mittelsatz, bestach durch eine wunderschöne Kantilene, die auch bei den Tuttistellen des Orchesters durchhörbar blieb. Von kleineren Mängeln abgesehen, bewältigte das Orchester auch im dritten Satz seine Aufgabe sehr solide, so daß auch hier die Sologeigerin eine Freizügigkeit entwickeln konnte, die dem bravourösen Ausklang des Konzerts Format verlieh.

Ganz typisch klangen nach der Pause die schier endlosen Achtelrhythmen auf, für die Christoph Willibald Gluck bekannt ist. Seine Ouvertüre in D-Dur stellt mit ihrem Allegro für das Orchester eine reizende erste Spielmusik dar. Dann aber war man gespannt auf das Hauptstück des Abends, Wolfgang Amadeus Mozart „Konzert für Flöte und Harfe, C-Dur, KV 299″. Das frische Musizieren des Orchesters und der Solisten ließ niemand ahnen, welche tief drückenden Sorgen Mozart belasteten, als er in Paris dieses beschwingte Konzert komponierte. Caroline Voggenreiter bläst ihre Silberflöte mit wunderschönem Ansatz und tadelloser Atemtechnik, und Thomas Siener, vom Klavier zur Harfe gekommen, ist ein Routinier, der schon auf vielen Konzertbühnen seine große Kunst entfaltet hat. Die beiden, dienen der galanten Geschmeidigkeit wie auch der feinen Besinnlichkeit des Werks in allen drei Sätzen, wie man es nicht besser erwarten kann. Mit der einfachen Melodik und der typisch mozartschen bezaubernden Anmut wetteifern sie mit dem Orchester, sei es im ersten Satz mit seiner schwebenden Grazie, sei es im beseelten Andantino oder im verspielten, doch recht virtuosen Rondo mit seinem Gavott-thema. – Für den großen Genuß bedankten sich die Zuhörer mit begeistertem Beifall.

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