„Orpheisches Hechingen“ läßt grüßen
Rutesheimer Kammerorchester führte Taeglichsbeck-Symphonie auf
Erinnerung an kulturelle Blüte: Das Rutesheimer Kammerorchester brachte am Sonntag eine grandiose Interpretation der ersten Symphonie von Thomas Taeglichsbeck zu Gehör.
Daß der letzte fürstliche Hofkapellmeister Thomas Taeglichsbeck kein gewöhnlicher Zeitgenosse war, dürfte nach den Veranstaltungen der jüngsten Zeit klar geworden sein. Wie genial Taeglichsbeck jedoch zu komponieren verstand, bewies die Aufführung seiner „Symphonie Nr. 1 Es-Dur op. 10″ am Sonntag abend durch das Rutesheimer Kammerorchester unter der Leitung von Rolf Beuchert.
Anlaß für das außergewöhnliche Konzert war 50jährige Jubiläum des Hohenzollerischen Geschichtsvereins, der nach dem Zweiten Weltkrieg in Sigmaringen wiedergegründet worden war. Doch dies war nicht das einzig besondere bei der Veranstaltung. Walter Selig, ein aus Hechingen stammendes Mitglied des Rutesheimer Kammerorchesters, ist es zu verdanken, daß die Symphonie des hochkarätigen Hofmusikers überhaupt aufgeführt werden konnte.
Zusammen mit dem Dirigenten Rolf Beuchert begab er sich auf die Suche nach der Komposition, die Taeglichsbeck zu Lebzeiten besonderen Ruhm eingebracht haben soll. Aus dem 140 Seiten starken Notenmaterial erarbeitete Rolf Beuchert selbst die gesamte Partitur für Streicher, Bläser und Pauke und studierte das Stück mit seinem Orchester ein. Wie schon bei der ersten Aufführung des Arrangements im vergangenen Jahr war der Urgroßneffe des Komponisten mit gleichem Namen auch am Sonntag unter den Zuhörern in der Hechinger Stadthalle.
Ein Meisterwerk, wie es nur selten zu hören ist, brachte das Rutesheimer Kammerorchester mit der ersten Symphonie von Thomas Taeglichsbeck zur Aufführung. Der letzte Hofkapellmeister unter Fürst Konstantin von Hohenzollern Hechingen muß ein wahres Genie gewesen sein. Monumentale Gravität, pompöse Wucht und verspielt-lyrische Träumereien bestimmten das Auf und Ab der Gegensätze, die die Komposition bereithielt; Paukendonner und zierliche Flöten- beziehungsweise Oboenmelodien – ein überwältigender Gruß aus dem „orpheischen Hechingen“ des 19. Jahrhunderts.
Nach allen Regeln der Kunst hat Taeglichsbeck seine Symphonie ausgestaltet. Nicht nur auf den genannten Gegensätzen basiert die gewaltige Expressivität der Komposition. Viel Feingefühl war nötig, um die zarten Ornamente klassischen Stils mit den behäbigen Akkordfolgen zu paaren. Das Resultat: ein spannungsgeladenes Feuerwerk von hymnischer Breite und melodiöser Brillanz, dessen stolzes Flanieren zwischen aufbrausenden Harmonien von höchstem künstlerischen Verständnis zeugt.
Was wäre allerdings: die beste Komposition ohne ein gutes Orchester. Doch dieser Aufgabe wurden die Rutesheimer Kammermusiker absolut gerecht. Das Verhältnis; in dem in diesem Orchester Profis und Laien zusammenarbeiten, scheint einen fruchtbaren Boden für niveauvolle Interpretationen anspruchsvoller Literatur zu bereiten.
So hatte auch die Taeglichsbeck Darbietung vom ersten bis zum letzten Akkord Hand und Fuß. Ein homogener Klangkörper schuf die Grundlage, auf der sich solistische Flötenduette, effektvolle Streichersequenzen und beschauliche Horneinwürfe in voller Pracht entfalten konnten.
Mit Temperament und Grazie ließen die Musiker markante Trompetensignale und rhythmische Paukenbewegungen ineinandergleiten. Fließende Motive wurden fugal versetzt durch die einzelnen Register geführt, um in einem überwältigenden Schlußteil nach original klassischem Muster auszuklingen.
Die Qualität des Orchesters wurde bei den anderen beiden gespielten Stücken ebenfalls unter Beweis gestellt. Mit Matthias Trück betrat bei dem „Konzert für Violoncello und Orchester in C-Dur“ ein glänzender Solist die Bühne. Er entlockte dem oft mit dunklem und mürrischem Charakter assoziierten Instrument klare, leidenschaftlich-verzückte Töne und bewies einmal mehr, wie gut sich das Cello auch als Melodieinstrument eignet.
Als Landrat Willi Fischer in seinen Grußworten dem Hohenzollerischen Geschichtsverein für das besondere musikalische Geschenk dankte, hat er gewiß nicht übertrieben. Es sei die Aufgabe eines Geschichtsvereins, so Fischer, zur Identitätsfindung der Bevölkerung beizutragen. Und welcher Bürger der ehemals hohenzollerischen Lande würde sich schon nicht gerne mit einem so reichen kulturellen Erbe identifizieren! cm